Anne Weltraum

Es ist gut ein Jahr her, dass ich einen Artikel über eine Ausstellung geschrieben habe. Erst kürzlich habe ich eine Brücke geschlagen, zwischen meiner künstlerischen Arbeit und dem Schreiben. Der Raum, in dem ich meine Gedanken sortiere und ihnen freien Spielraum lasse, damit sie sich ausdrücken, Form finden und eventuell eine Art Essenz dessen, was mir wichtig erscheint, ergeben. Das Schreiben, welches mich seit meiner Jugend begleitet, in Form von Tagebuch schreiben, wird fortan immer weiter mit meiner Arbeit verwoben werden, denn es ermöglicht mir meine Welt zu erkunden und zu kultivieren.

Vor einem Jahr, hatte ich nach dem Lockdown die Ausstellung Winterreise von Jochen Lempert im Credac in Ivry besucht. Dieses Jahr, nach nun 14 Monaten Pandemieerfahrungen und den einhergehenden Öffnungen und Schließungen der Kulturinstitutionen, ist die Ausstellung von Anne Imhof im Palais de Tokyo, die erste, die ich besuche. Und sie ist die zweite und dritte und vierte Ausstellung, die ich besuche. Und wohlmöglich wird es noch viele weitere Besuche meinerseits geben. Ein Freund, hat mir vor 3 Jahren von Anne Imhof erzählt, in Verbindung mit Tanz und Bewegung. Damals hatte ich über sie recherchiert, da das Thema mich sehr interessiert, aber ich fand durch den Artikel keinen Zuhang zu ihrer Arbeit. Dazu musst ich sie erst erleben und das meine ich ganz konkret. Ihre Arbeit ist ein Erlebnis, wie eine Gebirgslandschaft. Eine Bild und Klang Landschaft, in der die Sinne gereizt werden und Erinnerungen wachgerufen werden.

Und auch dieses Mal, ist es eine Form von nach Hause kommen für mich. Ich bin sehr dankbar auf diese Weise, ohne zu verreisen ein Gefühl vom Geiste meiner Heimat und meiner Vergangenheit erleben zu können. Das hört sich schwülstig und schwer an, wenn ich das so schreibe, dabei geht es mir hierbei um eine künstlerische Denke und ein Schaffen, dass ich hier in Frankreich so nicht erlebe.

Anne Imhof bringt das Deutschland, welches ich als Studentin erlebt habe, ins Palais de Tokyo. Sie erschafft Räume, die urbanen Räumen ähneln, die in Deutschland gang und gäbe sind, aufgrund der Geschichte, der Kultur und dem was daraus entstanden ist. Es ist groß, weit und offen, teilweise kalt und je nach dem vielleicht unheimlich. Oder einfach nur roh. Materialien wie Glas, Metall und Stahl stehen im Gegensatz zu den Menschen, die sich in den von ihr inszenierten Räumen bewegen.

Was Anne Imhof mit dem Palais de Tokyo macht, ist ein Freilegen, das Entfernen einer bestehenden Struktur, in die sie ihre eigene Welt, ihren eigenen Traum einbringt. Das Gebäude wird annähernd auf sein Gerüst reduziert. Auf eine fast brutale Art und Weise und mit einer Selbstverständlichkeit legt Anne Imhof seine Verletzlichkeit dar, die uns auf unsere eigene Verletzlichkeit verweist.

Spontan fange ich an in der Installation zu tanzen, da der Gang aus den hohen Glaswänden mich dazu inspiriert und weil ich mich erinnere, dass auch ich endlich bin und das Bewegung Zeugnis meiner Lebendigkeit ist. Irgendwo im Hintergrund spielt Musik, die wie ich später sehe, über bewegliche Lautsprecher auf Schienen ausgestrahlt wird und das was ich spontan tue, macht sofort Sinn. Es ist als gäbe keine andere Haltung zu dieser Umgebung, als diese : Tanzen.

Mir fallen das Ruhrgebiet, die Vorortszüge und die Clubkultur ein. Schlecht beleuchtete Gegenden, die Nachts ihren ganz eigenen Reiz ausstrahlen und ein einziger Moment alles verändern kann. Zumindest ist es das, was man sich erhofft, wenn man in die Nacht ausschwirrt. Eine Rückfahrt aus Düsseldorf vom Sonic Youth Konzert, ich am Steuer weil der Künstlerfreund mit dem ich das Konzert besuchte, zu viel getrunken hatte, kommen mir in denn Sinn. Unzählige Partys auf der Zeche Zollverein oder in Parkhäusern, große unbeheizte Hallen, in denen die Nachtvögel mehr umher irren, als konkret auf ein Ziel zu zu gehen. Und dieses Gefühl, des vagen Suchens, vor und zurück, getrieben von einer originären Kraft, finde ich auch im Video mit dem Titel Sex wieder, welches ich mir bei meinem vierten Besuch anderthalb Stunden angeschaut habe. Strukturen oder Mobiliar aus dem Video befinden sich im Raum und laden dazu ein, dass man sich niederlässt und dabei eintaucht in die Choreographie, die sich vor einem entfaltet. Wie in Trance und vielleicht dadurch, dass ich mich irgendwann hinlege auf die weiße Matraze, weiß ich irgendwann nicht mehr wo ich micht befinde, Realität und die aufgezeichnete Performance aus der Tate Gallery verschwimmem.